
Das Schweißen ist eine der wichtigsten Fertigungstechnologien in zahlreichen Industriezweigen – von der Automobilindustrie über den Maschinenbau bis hin zum Bauwesen. Dennoch treten beim Schweißen immer wieder Qualitätsprobleme auf, die die Stabilität und Langlebigkeit der Schweißverbindungen beeinträchtigen können. Einer dieser häufigen Fehler ist die sogenannte „Unterhöhung“ (undercutting). Dieses Phänomen stellt nicht nur eine optische Beeinträchtigung dar, sondern kann auch die mechanischen Eigenschaften der Schweißnaht erheblich mindern und im schlimmsten Fall zu Bauteilschäden führen. In diesem umfassenden Artikel gehen wir tief ins Detail, um das Thema Unterhöhungen beim Schweißen ausführlich zu beleuchten: Wie entstehen sie? Welche Ursachen stecken dahinter? Und vor allem, wie kann man Unterhöhungen erkennen, vermeiden oder fachgerecht nachbehandeln? Dabei berücksichtigen wir sowohl praktische Tipps als auch theoretische Hintergründe, um Ihnen als Schweißer oder Technikinteressiertem wertvolles Wissen an die Hand zu geben.
Was ist eine Unterhöhung beim Schweißen?
Bevor wir auf die Ursachen und Lösungswege eingehen, wollen wir genau definieren, was unter einer Unterhöhung zu verstehen ist. Im Schweißprozess bezeichnet die Unterhöhung eine Kerbe oder ausgesparte Einsenkung entlang der Schweißnaht, die sich an der Verbindung zwischen dem Grundmaterial und dem Schweißgut ausprägt. Diese Vertiefung entsteht gewöhnlich entlang der Schweißraupe und kann unterschiedliche Tiefe haben. Ihre auffällige, oft linienartige Erscheinung macht die Unterhöhung sichtbar; sie wirkt wie eine Einkerbung oder ein scharfkantiger Spalt, der das Grundmaterial geschwächt zurücklässt.
Der Begriff „undercutting“ wird vor allem in der englischsprachigen Schweißtechnik verwendet, während „Unterhöhung“ das deutsche Pendant ist. Beide meinen das gleiche Phänomen.
Eine Unterhöhung ist mehr als nur ein optisches Problem: Sie stellt einen potenziellen Schwachpunkt in der Schweißverbindung dar, da dort Spannungskonzentrationen entstehen können. In technischer Hinsicht vermindert die Unterhöhung die Bruchfestigkeit und kann als Ausgangspunkt für Risse oder Ermüdungsbrüche fungieren.
Die Folgen von Unterhöhungen in der Schweißnaht
Die unmittelbaren Folgen von Unterhöhungen sind vielseitig und reichen von optischen Mängeln bis zu sicherheitsrelevanten Problemen:
- Mechanische Schwächung: Die Kerben fungieren als Spannungskonzentratoren, die insbesondere bei wechselnden Belastungen Materialermüdung begünstigen.
- Korrosionsanfälligkeit: Durch die Einkerbungen können Schmutz und Feuchtigkeit eindringen, was die Korrosion beschleunigt.
- Verzögerte Inspektionen und Reparaturkosten: In der industriellen Praxis müssen Schweißungen mit Unterhöhungen häufig nachbearbeitet oder sogar komplett neu ausgeführt werden, was Zeit und Geld kostet.
- Gefährdung der Bauteilsicherheit: Bei sicherheitskritischen Anwendungen kann eine Unterhöhung Schwachstellen verursachen, die zu Ausfällen und Unfällen führen.
Ursachen für Unterhöhungen beim Schweißen
Um Unterhöhungen richtig zu verstehen, ist es entscheidend, ihre Ursachen zu kennen. Unterhöhungen entstehen durch eine Kombination aus physikalischen und technischen Faktoren, die während des Schweißens wirksam werden. Hier sind die wichtigsten Ursachen zusammengefasst:
1. Falsche Schweißparameter
Ein häufiger Grund für Unterhöhungen sind unpassend eingestellte Schweißparameter – insbesondere zu hohe Stromstärke oder zu schnelle Schweißgeschwindigkeit. Wenn beispielsweise der Schweißstrom zu groß ist, schmilzt das Grundmaterial übermäßig stark ab und wird nicht vollständig mit dem Schweißgut ausgefüllt. Das führt zur Ausbildung von Kerben an den Kanten.
2. Falsche Schweißtechnik und Handhabung
Die Art und Weise, wie der Schweißer die Elektrode oder den Brenner führt, beeinflusst die Nahtqualität maßgeblich. Absätze entstehen oft, wenn die Schweißgeschwindigkeit variiert oder der Schweißwinkel nicht stimmt. Eine ungleichmäßige Führung verursacht unregelmäßige Schweißbäder und ungleichmäßige Materialverteilung.
3. Ungünstige Werkstoffkombinationen
Verschiedene Materialien und deren thermische Leitfähigkeit sowie Schmelzverhalten können die Entstehung von Unterhöhungen begünstigen. Materialien mit hoher Wärmeleitfähigkeit kühlen schneller ab, was die Schmelze in der Nahtkante verfestigt, bevor sich das Material korrekt verbindet.
4. Unzureichende Vorbereitung der Schweißstelle
Schmutz, Fett, Rost oder ungleichmäßige Fugenwinkel beeinflussen das Schweißbad negativ. Dies kann zum Verspritzen des Schweißguts und folglich zu Unterhöhungen führen.
5. Übermäßiger Nahtquerschnitt
Wenn die Schweißnaht zu breit ist, kann die Mächtigkeit des geschmolzenen Materials an den Rändern nicht ausreichend ausgeglichen werden, so dass sich Vertiefungen bilden.
6. Verwendung ungeeigneter Schweißverfahren
Manche Schweißverfahren haben ein höheres Risiko für Unterhöhungen, z. B. das Lichtbogenhandschweißen oder das Wolfram-Inertgasschweißen, wenn sie ohne entsprechende Parameterkontrolle ausgeführt werden.
Typen von Unterhöhungen und ihre Erkennung
Es gibt verschiedene Erscheinungsformen von Unterhöhungen, die sich hinsichtlich ihrer Tiefe, Breite und Lage unterscheiden lassen. Für die Praxis ist eine korrekte Erkennung essenziell, denn nur so kann eine gezielte Nachbehandlung erfolgen.
Flache Unterhöhungen versus tiefe Kerben
Flache Unterhöhungen zeigen sich als schmale und eher oberflächliche Einkerbungen, die meist noch tolerierbar sind, sofern sie keine erhebliche mechanische Schwächung verursachen. Tiefere Kerben hingegen sind kritisch und müssen zwingend bearbeitet werden.
Visuelle Kontrolle und zerstörungsfreie Prüfungen
Unterhöhungen werden oft bereits durch Sichtprüfung erkannt, insbesondere wenn sie großflächig sind. Für kleinere oder tiefere Unterhöhungen kommen zerstörungsfreie Prüfverfahren wie Ultraschall, Magnetpulverprüfung oder Röntgen zum Einsatz, mit denen die genaue Tiefe und Lage festgestellt werden kann.
Tabelle 1: Methoden zur Erkennung von Unterhöhungen
Prüfmethode | Beschreibung | Vorteil | Nachteil |
---|---|---|---|
Visuelle Kontrolle | Direkte Sichtprüfung der Schweißnaht | Schnell und kostengünstig | Nur oberflächliche und große Fehler erkennbar |
Ultraschallprüfung (UT) | Schallwellen erkennen innere Defekte | Erkennt Tiefe und Lage von Unterhöhungen | Erfordert Fachpersonal, teure Ausrüstung |
Magnetpulverprüfung (MT) | Detektiert Oberflächen- und Nahe-Oberflächenrisse | Sehr sensitiv für feine Unterhöhungen | Nicht brauchbar bei nicht-ferromagnetischen Werkstoffen |
Röntgenprüfung (RT) | Durchstrahlungsprüfung auf innere Fehler | Sehr präzise Lagebestimmung | Aufwändig, strahlenbelastet |
Wie vermeidet man Unterhöhungen beim Schweißen?
Die Vermeidung von Unterhöhungen ist letztlich das beste Mittel, um Zeit und Kosten zu sparen und die Bauteilsicherheit zu gewährleisten. Hier sind praktische Tipps und Richtlinien, die Schweißer beachten sollten, um Unterhöhungen vorzubeugen.
1. Optimale Einstellung der Schweißparameter
Das richtige Einstellen von Stromstärke, Spannung, Schweißgeschwindigkeit und Drahtvorschub ist entscheidend. Ein zu hoher Strom soll unbedingt vermieden werden, ebenso wie ein zu schnelles Vorgehen. Empfehlenswert ist, sich strikt an die Herstellerangaben bzw. an TÜV- oder DIN-Richtlinien zu halten und gegebenenfalls eigene Versuchsreihen zur Parameterfindung durchzuführen.
2. Gleichmäßige Schweißführung und korrekt gewählter Schweißwinkel
Eine ruhige, gleichmäßige Bewegung mit korrektem Winkel verhindert ein Einbrennen des Materials an den Kanten und damit die Unterhöhungen. Das bedeutet auch, dass Schweißer regelmäßig geschult und trainiert werden sollten, um ein konstantes, reproduzierbares Ergebnis zu erzielen.
3. Ausreichende Vorbereitung der Werkstücke
Die Schweißstellen sollten sauber, frei von Rost, Öl oder anderen Verunreinigungen sein. Auch das richtige Anfasen und Fügen der Elemente trägt dazu bei, die Bildung von Unterhöhungen zu vermeiden.
4. Wahl des passenden Schweißverfahrens
Je nach Werkstoff, Anwendung und Position sollte das Schweißverfahren ausgewählt werden, das das geringste Risiko für Unterhöhungen bietet – oftmals sind Verfahren mit stabiler Lichtbogenzündung und gleichmäßigem Schweißbad von Vorteil.
Liste 1: Tipps zur Vermeidung von Unterhöhungen beim Schweißen
- Arbeitsparameter richtig einstellen (Strom, Spannung, Geschwindigkeit)
- Schweißwinkel von 10 bis 15 Grad einhalten
- Konstante Schweißgeschwindigkeit beibehalten
- Grundmaterial sorgfältig reinigen und vorbereiten
- Arbeitsumgebung trocken und gut beleuchtet halten
- Schweißer kontinuierlich schulen und prüfen
- Geeignete Schweißzusatzstoffe verwenden
- Schweißnahtgeometrie fachgerecht planen
Nachbehandlung von Unterhöhungen: Was tun, wenn sie auftreten?
Manchmal lassen sich Unterhöhungen trotz aller Vorsichtsmaßnahmen nicht vermeiden. In solchen Fällen stellt sich die Frage: Wie geht man mit den Mängeln um? Kann man Unterhöhungen einfach abschleifen oder muss die Schweißung erneuert werden?
Abschleifen und Nachschweißen
Oberflächliche Unterhöhungen können häufig durch Schleifen beseitigt werden, um eine glatte Nahtoberfläche zu erhalten. Ist die Kerbe jedoch tiefer und gefährdet die mechanische Stabilität, ist eine Nachschweißung mit vorheriger Anfasung des Defektbereiches zu empfehlen.
Prüfung der Schweißnaht nach Nachbearbeitung
Nach jeder Reparaturmaßnahme sollte die Schweißnaht erneut geprüft werden, um sicherzustellen, dass keine unerwünschten Defekte zurückgeblieben sind und die Naht ihre Anforderungen erfüllt. Erst dann kann die Bauteilfreigabe erfolgen.
Wann ist eine Erneuerung der Schweißung notwendig?
Wenn die Unterhöhung zu tief ist, eine neue Rissbildung auftritt oder andere schwerwiegende Mängel festgestellt werden, liegt es nahe, die gesamte Schweißnaht komplett neu herzustellen. Dies ist zwar kostenintensiv, erhöht aber die Sicherheit und Langlebigkeit der Verbindung.
Moderne Methoden zur Minimierung von Unterhöhungen
Innovation in der Schweißtechnik bietet Lösungen, die klassische Probleme wie Unterhöhungen minimieren können. Automatisierte und robotergestützte Schweißverfahren zeichnen sich durch höhere Wiederholgenauigkeit und Prozesskontrolle aus, während neue Schweißzusatzstoffe für bessere Materialanpassung sorgen.
Roboter-Schweißen: Präzision und Reproduzierbarkeit
Roboter ermöglichen eine konstante Führung des Brenners bzw. der Elektrode mit idealen Winkeln und Geschwindigkeiten. Dadurch verringert sich das Risiko von ungleichmäßigen Schweißbädern und damit auch von Unterhöhungen erheblich.
Sensor-gestützte Prozessüberwachung
Moderne Schweißanlagen verfügen oft über Sensoren, die Details wie Temperatur, Schweißbadgröße oder Lichtbogenstabilität überwachen. Solche Daten helfen, gegebenenfalls Parameter in Echtzeit anzupassen und Fehler wie Unterhöhungen frühzeitig zu verhindern.
Verbesserte Schweißzusatzstoffe und Schutzgase
Neue Legierungen und Kombinationen von Schutzgasen erleichtern das Bilden homogener Schweißverbindungen ohne Kerbenbildung. Besonders im Bereich des MIG/MAG-Schweißens geben innovative Drahtsorten bessere Schweißergebnisse.
Praktische Beispiele und Erfahrungsberichte aus der Schweißpraxis
Erfahrungen aus dem Schweißalltag zeigen, dass die konsequente Einhaltung von Arbeitsstandards und sorgfältige Schulung der Fachkräfte der Schlüssel zu qualitativ hochwertigen Schweißnähten sind. So berichten viele Betriebe, dass eine Umstellung auf präzisere Parameter und der Einsatz von Schweißrobotern die Zahl der Unterhöhungen innerhalb kurzer Zeit signifikant gesenkt hat.
Beispiel: In einem mittelständischen Maschinenbaubetrieb wurde durch gezielte Anpassung der Schweißparameter und regelmäßiges Monitoring der Prozessdaten die Unterhöhungsquote von etwa 15 % auf unter 2 % reduziert. Diese Maßnahme führte zu deutlich weniger Nacharbeit und höherer Kundenzufriedenheit.
Wichtige Normen und Richtlinien bei Unterhöhungen
In der Schweißtechnik gelten zahlreiche Normen, die Mindestanforderungen an Schweißnähte festlegen. Die deutsche DIN EN ISO 5817 beispielsweise beschreibt Grenzwerte für Schweißnahtfehler, inklusive Unterhöhungen, abhängig von deren eingesetztem Zweck.
Es empfiehlt sich, die jeweils gültigen Normen und kundenspezifischen Vorgaben immer zu konsultieren, um zu wissen, wann eine Unterhöhung akzeptabel ist oder wie im konkreten Fall zu verfahren ist.
Zusammenfassung: Die wichtigsten Maßnahmen im Umgang mit Unterhöhungen
Bereich | Empfohlene Maßnahme | Ziel |
---|---|---|
Schweißparameter | Optimierung von Stromstärke, Spannung, Geschwindigkeit | Vermeidung übermäßiger Materialabtötung |
Technik | Schweißwinkel und -führung gleichmäßig halten | Reduzierung von Ungleichmäßigkeiten im Schweißbad |
Vorbereitung | Säubern und passende Fuge vorbereiten | Verbesserte Nahtqualität |
Nachbearbeitung | Schleifen oder Nachschweißen bei Bedarf | Beseitigung vorhandener Unterhöhungen |
Prüfung | Sicht- und zerstörungsfreie Prüfverfahren einsetzen | Qualitätssicherung der Naht |
Technik & Innovation | Automatisierung und Sensorik nutzen | Minimierung menschlicher Fehler |
Schlussfolgerung
Unterhöhungen beim Schweißen sind ein häufig auftretendes, aber gut verständliches und beherrschbares Problem. Sie entstehen vor allem durch falsche Parameter und unsachgemäße Schweißtechnik, können aber durch präzise Einstellung des Schweißprozesses, sorgfältige Vorbereitung und fachgerechte Nachbehandlung effektiv vermieden bzw. behoben werden. Moderne Technologien und regelmäßige Schulungen leisten dabei wertvolle Unterstützung. Durch stringente Qualitätskontrollen und die Einhaltung relevanter Normen lässt sich die Qualität der Schweißverbindungen dauerhaft sichern. Insgesamt ist es für jeden Schweißer und Betrieb eine lohnende Investition, sich intensiv mit der Materie zu beschäftigen, um Sicherheit, Zuverlässigkeit und Ästhetik der Schweißnähte zu gewährleisten – frei von Unterhöhungen.